
Picos de Europa - Berge statt Meer
- Juna

- 16. Okt. 2023
- 7 Min. Lesezeit
Wir verlassen das Meer und fahren wieder Richtung Landesinnere, um in den Picos de Europa wandern zu gehen. Als wir am Rande des Nationalparks ankommen, steht rechte Hand ein kleines Holzhäuschen, in der eine Frau sitzt, die Infos über den Park erteilt. Mami steigt voll motiviert aus und strahlt die Dame am Infopoint an. Diese wirft ihr einen Parkplan über den Thresen, markiert noch schnell drei Campingplätze und schafft es in ihrem Elan gerade noch ihr zu sagen, wo wir recht kurze Wandertouren finden, die wir mit mir in der Trage gut machen können, um sich dann wieder anderen Dingen zu widmen. Besser Bescheid als vorher wissen wir jetzt auch nicht und welcher der Campingplätze noch geöffnet hat ebenfalls nicht. Ein Hoch auf die Nebensaison! Meine Eltern suchen also einen Campingplatz aus und los geht die Tour....!

Die Picos de Europa (spanisch für „Gipfel Europas“) sind ein Kalkstein-Massiv innerhalb des Kantabrischen Gebirges und die Fahrt durch die Berge wirklich schön, wenn auch ganz schön kurvig. Ich selbst kann das Ganze nicht so genießen und sehne mich dem Ende der Fahrt entgegen. Mal wieder wird die Vogelhochzeit angeschmissen, um die Laune zu steigern und ich glaube, dass meine Mamis bald an der Weltmeisterschaft im Zwitschern teilnehmen können! 🐣🎶 Endlich am ersehnten Platz angekommen, müssen wir leider feststellen, dass dieser schon geschlossen hat (ein Lob an die Touri-Info-Tante an dieser Stelle...Great Job!!!), was für uns bedeutet, dass wir weitere 20 Minuten fahren müssen, um zu einem anderen Campingplatz zu gelangen. Dank der vielen Kurven ist Mami inzwischen schlecht, ich quengel so laut, dass man Rolf Zuckowski inzwischen gar nicht mehr hören kann und Mama übersieht vor lauter Stress mal wieder die "Drempels" (Bremshügel) auf der Straße....auch der Bus beginnt bereits zu stöhnen und der Holzausbau knarzt mit jeder Kurve lauter!
Schließlich kommen wir aber doch am ersehnten Stellplatz an und glücklicherweise lässt der ansässige Campingplatzkater die schlechte Laune schnell vergessen...daran ändert auch die kurze Kratzattacke nicht, nachdem ich versucht habe, mit einer Walnuss auf den Schwanz der Mieze zu hauen. Wir vermissen Amy! 😿
Am nächsten Morgen machen wir uns früh auf den Weg, um die Bergseen Lago Enol und Lago de la Ercina zu besuchen. Mit einem Shuttlebus, der im Wallfahrtsort Cavadonga startet, geht es circa 12 Kilometer auf engsten Straßen die Serptentinen hinauf. Glücklicherweise ergattern wir die Plätze in der ersten Reihe und haben den besten Ausblick auf seine riskante, aber gekonnte Fahrweise. Uns ist es bis heute ein Rätsel wie zwei Linienbusse nebeneinander auf diese Straße passen, ohne dass einer der beiden den Abhang runtersegelt. Für ein kleines Pläuschchen unter Kollegen ist während des Manövers auch noch Zeit....klar!
Mit den Wanderstöcken in der Hand geht es schließlich los...vom Parkplatz aus die ersten Meter gehend, fallen uns sofort die wahrscheinlich lebensmüden "Kletterkühe" auf. Auf dem Foto wird es zwar nicht ganz deutlich, aber sie standen wirklich sehr nah am Anhang. Almkühe Deluxe sozusagen! 🐄
Der erste Teil des Rundwanderweges führt uns zu einem Aussichtspunkt: Mirador del Pricipe. Schon jetzt sind wir begeistert von der Landschaft und der wunderschönen Aussicht. Die Ruhe der Natur lässt auch meine Augen schnell müde werden und so lasse ich mich gemütlich durch das Bergpanorama tragen.
Als nächstes passieren wir die Minas de Buferrera. Das Wetter spielt perfekt mit und der gut ausgebaute Wanderweg ist abwechslungsreich.
Vorbei an den grasenden Kühen, erreichen wir schließlich den ersten der beiden Bergseen, Lago de la Ercina. Wir sind froh in der Nebensaison hier zu sein, da wir zwischenzeitlich auch mal ganz für uns sein können und die fantastische Aussicht genießen.

Wir verlassen die ausgetrampelten Pfade und wandern querfeldein zum nächsten Aussichtpunkt Mirador de Entrelagos.

Von hier aus kann man beide Seen gleichzeitig sehen, welch ein Panorama!

Dann steigen wir hinab zum Lago Enol in 1070 Metern Höhe. Damit liegt er etwas tiefer als der Lago de la Ercina in 1108 Metern Höhe. Viele inzwischen vertrocknete Silberdisteln säumen den Weg, daneben gefühlt eine Million Kuhfladen.
Am Flußufer angekommen, darf ich endlich aus der Trage und freue mich meine Füße im See erfrischen zu können. Bei den Füßen bleibt es aber natürlich nicht...einmal auf den Hosenboden gesetzt, bin ich komplett nass. Naja, die Sonne trocknet alles binnen ein paar Minuten wieder. ☀️
Es ist Zeit für eine Bretteljause. Quer über die Wiese, mitten durch eine grasende Schafherde, steigen wir hinauf zur Berghütte. Es ist sehr idyllisch...zumindest bis ein etwa zweijähriger Junge angerannt kommt, der unermüdlich und unter größter Anfeuerung seiner Eltern die bis dato trägen Schafe verjagt. Fluchtartig verlassen sie den Hang und verschwinden hinter einem Hügel. Alles geht so schnell, dass der alte und gebrechlich wirkende Hütehund seine Schäfchen nicht mehr beisammen halten kann. 🐑🐏 Ein Weiterer bekommt von dem ganzen Trubel erst gar nichts mit, da er unter dem Tisch sitzend mit den schmausenden Touris beschäftigt ist, in der Hoffnung, dass endlich auch etwas für ihn abfällt. 🍖
Auf der Karte der Hütte sind leider nur spanische Fremdwörter zu finden. Für Cervezas und Olivos reichen die Spanischkenntnisse gerade noch, dann wird auf gut Glück etwas bestellt. Zu unserer Überraschung bekommen wir ein richtig leckeres Mittagessen serviert und selbst ich probiere die als Kroketten getarnten Kartoffelstangen mit Schinkenfüllung und finde Geschmack daran. Meine Eltern sind baff erstaunt.
Nach der Stärkung ist die Trage unerwünscht. Ich möchte den Rest der Strecke alleine wandern und rufe laut: "Eiiiii, eiiiii"....was so viel heißt wie "eins, zwei, dreiiiii" und renne laut kreischend den Hang hinab in Mamis Arme. Dieses Spiel könnte ich stundenlang weiterspielen.
Bevor der letzte Bus den Weg talwärts ohne uns fährt, gehen wir lieber zur Haltestelle. Die Aufräumarbeiten der Mistkäfer sind auch schon in vollem Gange. Der Busfahrer muss die noch auf der Straße stolzierenden Kühe regelrecht anstupsen, damit sie den Weg frei machen - Kühe schubsen mal anders. 🐮
Wieder in Cavadonga angekommen, schauen wir uns noch die neuromanische Basilika Santa María la Real de Covadonga an und besuchen die Grotte mit der heiligen Jungfrau, die in Spanien als La Santina bekannt ist. Ein wirklich sehr gelungener Tag, die Wanderschuhe qualmen und wir sind glücklich! 🥾😁
Zurück auf dem Campinplatz übe ich auf dem Skateboard unseres 5-jährigen Nachbarn Moritz surfen und plane unseren nächsten Ausflug. 🛹
Dieser führt uns vorbei am Wahrzeichen der Picos, dem 2519 Meter hohen Naranjo de Bulnes (asturisch: Picu Urriellu). Obwohl er keineswegs der höchste Gipfel des Kantabrischen Gebirges ist, kann er als der bekannteste Gipfel in der Welt des spanischen Bergsteigens angesehen werden; insbesondere wegen der 550 m hohen vertikalen Westwand ist er bei "Bigwall-Climbern" beliebt. Für die Kletterer unter euch: Am 4. September 2009 bezwangen die Brüder Ilker und Eneko Pou Uriellu in 8 Stunden über die Orbayu-Route, einen Weg mit einer der schwierigsten Felswänden der Welt mit einem Gefälle von 8c+/9a. Wahnsinn! 🧗
Die Straße schlängelt sich entlang der Berge und hinter jeder Kurve bietet sich uns ein neues Panorama.

Türkisgrüne Bäche und kristallklares Gebirgswasser runden das Postkartenmotiv perfekt ab.
Unser Ziel ist die Funicular de Bulnes, eine Standseilbahn, die durch einen Tunnel den Berg hindurch von Poncebos hoch nach Bulnes führt. 🚇
Circa 8 Minuten dauert die Fahrt mit der 22km/h schnellen Bahn, die im Jahr 2001 eröffnet wurde. Im Berg selbst ist es ganz schön kalt 🥶

Bulnes ist ein niedliches kleines Bergdorf mit etwas über 40 Einwohnern, das sich in zwei Bereiche aufteilt: einen oberen (= Bulnes arriba) und einem unteren (= Bulnes abajo). Es gibt eine kleine Kirche, Restaurants, Unterkünfte für Wanderer und eine Reihe süßer Steinhäuser. Wir sind sofort verliebt!
Wir haben die Bahn kaum verlassen, da sehen wir über uns eine ganze Reihe riesiger Vögel kreisen. Recht schnell wird klar, dass es sich um Geier handeln muss, genauer gesagt um Gänsegeier. Mami ist von dem Moment an mit unserem Teleobjektiv auf "Geierjagd", stets den Blick gen Himmel gerichtet. 📷😅

Die Greifvögel sind durch ihre Größe und die deutlich erkennbaren zweifarbigen Flügel in Europa kaum zu verwechseln. Gänsegeier brüten in Kolonien in Felsen und auch wir beobachten wie sich die majestätischen Segler immer wieder in den Felsspalten niederlassen. Auf dem mittleren Bild haben sich gerade drei Stück abgesetzt, erkennt ihr sie?
Die Körperlänge ausgewachsener Exemplare beträgt übrigens 93 bis 110 cm, die Spannweite 234 bis 269 cm. Die Tiere wiegen 6,2 bis 11,3 kg. Ganz schön groß wie ich finde.
Der Weg in den oberen Ortsteil führt circa 500m den Berg hoch. Plötzlich ist es wieder ganz schön warm und Mama schwitzt in ihrem Pulli total. Ausziehen ist aktuell aber keine Option, da ich in der Trage soeben eingeschlafen bin. 💤🤷🏼♀️
Bevor es noch zum Aussichtspunkt auf den oben beschriebenen Naranjo de Bulnes geht, wollen wir uns in einem süßen Restaurant am Flußufer einen kleinen Tapas-Snack zu Leibe führen. Kaum Platz genommen bekommen wir ein Glas mit einer Süßspeise, ähnlich einer Creme Brulet serviert. Wir dachten, es sei ein Gruß des Hauses und freuen uns über die Freundlichkeit des Kellners...wie sich später herausstellen sollte, hatte sich dieser jedoch lediglich im Tisch vertan und uns das Dessert einer Dame des Nachbartisches serviert. 😆 Naja, uns hat's geschmeckt! Und da wir mal wieder 5 Minuten nach Schließung der Küche ankamen, waren wir froh, zumindest unseren Zuckerhaushalt etwas aufgefüllt zu haben.
Das bestellte Bier ist zwar eine gelungene Abkühlung, steigt Mami aber ohne fehlende Grundlage direkt zu Kopfe. Ulala...🤭
Die Extrahöhenmeter zum Lookout haben sich nicht wirklich gelohnt, immerhin tragen sie aber deutlich zum heutigen Sportprogramm meiner Eltern bei...⛰️💪🏼
Als wir letztlich mit der Bergbahn wieder unten ankommen, begegnen wir noch ebenso todesmutigen Ziegen wie den gestrigen Kühen 🐐 Keine Ahnung, wie sie sich auf der schmalen Grasnarbe auf den Beinen halten können, ohne ins Tal zu stürzen.
Nachdem wir uns einen Stellplatz für die Nacht rausgesucht haben, der wieder mehr Richtung Meer liegt und ich die Eiskarte des ansässigen Restaurants ausgiebig studiert habe, gehen wir zurück zum Bus, der mit spektakulärer Aussicht am Straßenrand geparkt war und bereits einsam auf uns wartet. Heute Vormittag haben wir nur mit Müh und Not eine Lücke gefunden, in die wir reinpassten, jetzt wirkt es wieder wie ausgestorben....🚐🅿️
Uns haben die Tage in den Picos wirklich außerordentlich gut gefallen 🥰 Es macht Lust aus weitere Wandertage hier...vielleicht kommen wir irgendwann nochmal zurück...







































































































































































Das sind wieder tolle Bilder und eindrücke von herrlicher Landschaft. Habt weiterhin eine schöne Zeit.